Herbstausfahrt 2018, Emmental

Samstag, 08.09.18, Tag 1

Der Herbstausflug ins Emmental stand für Meo Bici bereits 2017 auf dem Programm, Untertitel: "Ramseiers wei go rase". Übernachtungen, Touren, Begleitfahrzeug und Fahrer, alles war schon organisiert. Zwei Tage vor Start dann die grosse Enttäuschung: Wetter und Prognosen waren so grottenschlecht, dass alles abgeblasen werden musste. Nichts mit Ramseiers, kein Emmental, kein Rasen, schade!

Ein Jahr später ein neuer Anlauf, wiederum am (für Stadtzürcher verlängerten) Wochenende des Knabenschiessens. Am Wetter liegt es 2018 nicht, dass sich nur drei Meo-Werksfahrer am Samstagmorgen am Zürcher HB treffen, denn es ist perfekt. Die SBB chauffiert die drei Ciclisti via Bern nach Signau, wo sie im Hotel Zum Roten Thurm ihr Gepäck deponieren. Um halb zehn sind sie bereit, es kann losgehen.

Die Dorfstrasse von Signau war bis vor vierzig Jahren Teil der Hauptverkehrsachse zwischen Bern und Luzern. Die Umfahrungsstrasse nach Langnau und die Autobahn Basel-Luzern haben sie so sehr verkehrsberuhigt, dass heute nur Radtouristen (z.B. auf der Route 94) Signau überhaupt durchfahren. Der Samstagsmarkt findet auf der Strasse statt, Platz hat es genug, ungestört können wir lospedalieren. Wir kommen bei Schüpbach an die Emme, wenig später bei Emmenmatt an ihren Zusammenfluss mit der Ilfis und biegen hier links ab in Richtung Moosegg, den ersten Bergpreis dieses Tages. Die Steigungsprozente sind anfangs mässig, streifen im Mittelteil kurz den zweistelligen Bereich und gehen auf Höhe des Kurhauses Moosegg wieder deutlich zurück. Bloss dreihundert Höhenmeter waren nötig und ein erstes Mal öffnet sich in Richtung Osten ein wunderschöner Panoramablick über das Emmental, den Pilatus und die Schrattenfluh im Hintergrund. Sattes Weidegrün in den Tälern, dunkles Waldgrün an den Hängen der Chrächen und Eggen, darüber wolkenlos blauer Septemberhimmel. Ungewohnte Gotthelf-Idylle für uns Städter. Nach der Hinteregg rasende Talfahrt in Richtung Arni. Einige Radler kommen uns entgegen. Dies ist offenbar eine beliebte Strecke für Ausfahrten mit dem Rad, wir können nur beipflichten.

Tag 1 des Meo Bici Herbstausflugs trägt für die drei Teilnehmer einen zweiten Untertitel: "Verdammt lang her", denn für jeden von ihnen finden sich im Emmental weit zurückliegende Eckpunkte seiner Biografie. In der Arnisäge spielte sich ein Lebenskapitel eines der Protagonisten ab. Hier, oben am Hang, gastierte seine erste Landkommune. Verdammt lang her, Vol. 1… Nach Arni der nächste Aufstieg (im Emmental ist es selten flach, eigentlich fast nirgends…) zur Tanne, dem Übergang nach Lützelflüh. Verkehr hat es auf dieser Strasse ein bisschen mehr. Für die Abfahrt wählen wir deshalb die Nebenvariante über den Thalgraben, dort hat es ausser ein, zwei Traktoren keinen mehr. In Lützelflüh Kaffeehalt im Gasthof Ochsen, Szene eines anderen Lebenskapitels: hier erreichte, unerwartet, ein Brief eines der Protagonisten seine (noch unwissende) Ehefrau in spe. Verdammt lang her, Vol. 2…

Thematisch passend steigen wir nach der Pause in die Veloroute 99 (Herzroute) ein. Diese führt von Lützelflüh auf die Egg über dem Dorf und folgt dieser dann nordwärts bis Affoltern i.E. und Ochlenberg. Für Nichtzubringer ist sie gesperrt, also ruhig, und bietet ein munter-kurviges Auf und Ab und Rundumaussicht von Jura bis Alpen. Auf der Höhe von Schmidigen drehen wir gegen Osten ab und fahren über Dürrenroth und Schneidersgraben nach Wyssachen, zum Fuss unseres zweiten Bergpreis an diesem Tag, der Fritzenfluh. Wir befinden uns hier im Oberaargau, nördlich des Einzugsgebiets der Emme, in der Nähe von Huttwil in schon fast urbaner Provinz. Dazu passen – nerven tun sie trotzdem gewaltig! – die fünfzig Töfflibuben und -mädchen mit Zürcher Kennzeichen und bösen Jacken auf ihren Harleys, die uns im Aufstieg mit viel Lärm und Gestank überholen. Unsere guten Wünsche hören sie leider nicht. Den Mittagstisch wollen wir nach der Fritzenfluh abhalten. Bei der ersten Möglichkeit, der Hornbach-Pinte, hat sich aber bereits das Harley-Rudel breitgemacht. Wir fahren weiter bis Wasen und setzen uns vor dem Restaurant Grütli an die Sonne.

Frisch gestärkt geht es in den nächsten Aufstieg, den längsten an diesem Tag, die Lüderenalp. Es ist wirklich fast nirgends flach, hier im Emmental, aber die Anstiege sind auch nirgends endlos lang. Das ist doch beruhigend. Nach knapp 400 Höhenmetern (genau einem sogenannten Albispass-Äquivalent, also) sind wir schon oben. Die meditative Ruhe des Aufstiegs temporär verdorben hat uns (wie könnte es anders sein?) das Harley-Rudel. Der Kuhpflütter soll sie holen! An diesem wunderschönen Tag mit Postkartenaussicht auf die Berner Alpen sowieso. Die lange Abfahrt führt uns durch den Gohlgraben, den längsten Schachen im Emmental, bis kurz vor Bärau, wo wir der Veloroute 777 bis Trubschachen (Heimat von Kambly!) folgen. Bis Wiggen müssen wir nun auf der Hauptstrasse bleiben. Die motorisierte Zivilisation hat uns wieder. Beim Bahnhof Wiggen dann der Abstecher zu Verdammt lang her, Vol. 3. Kaum einen Kilometer von der Strasse weg und doch schon in einer anderen Welt, hatte der dritte von uns, vor vielen Jahren und mit anderen zusammen, seine Ferienwohnung in einem verlassenen Heimetli. Damals oft nur zu Fuss erreichbar, gelangen wir heute über ein asphaltiertes Stichsträsschen dorthin. Eine andere Welt ist es trotzdem geblieben, hinten im stotzigen Chrachen.

Nach Wiggen biegen wir auf die Veloroute 4, die Alpenpanorama-Route, ein und folgen dieser über Marbach (wo uns nach 16 Uhr die Dorfbäckerei vor dem Kohlehydrat-Tief rettet) und Schangnau (Heimat von Beat Feuz!) an den Oberlauf der Emme und in den Aufstieg zum Schallenberg. Wir biegen aber vor der Passhöhe in Richtung Eggiwil ab und rollen von dort der Emme entlang bis Äschau. Dort biegen wir links ab, erreichen nach einer scharfen Rampe (die dem Tourenplaner wegen ihrer ca. 15% Steigung und der fortgeschrittenen Länge der Etappe eher übelgenommen wird) Mutten und kurz darauf unser Ausgangsort Signau.
Nachtessen tun wir in unserem Hotel Zum Roten Thurm. Das Hotel ist gut eingestellt auf hungrige Radfahrer. Wir schätzen das sehr.

Etappendaten: 120km-2500hm

Meo Bici Herbstausfahrt 2018 Emmental, Streckendaten Tag 1


Meo Bici Herbstausfahrt 2018 Emmental, Tag 1 relive

Sonntag, 09.09.18, Tag 2

Auch der zweite Tag unser Herbsttour zeigt sich wettermässig von seiner besten Seite. Beim Losfahren ist es zwar noch frisch. Das macht aber nichts, denn der erste Aufstieg kann nicht weit sein - er beginnt schon nach wenigen hundert Metern... Heute folgen wir der Veloroute 99 in südlicher Richtung, wo sie nach Steinen den Talboden verlässt und zur Martinsegg hochführt. Von dort quert sie den Hang in Panoramalage, bis sie auf die Strasse trifft, die vom Chuderhüsi nach Röthenbach hinuntergeht. Von dort folgt sie kurz der Hauptstrasse und schlägt sich dann rechts in den Hang und (z.T. unasphaltiert) durch die waldigen Höhen in Richtung Heimenschwand. Hier öffnet sich ein zweites Mal die Aussicht zu den (westlichen) Berner Alpen: Blüemlisalp, Niesen, Stockhorn und die Gantrischkette zeigen sich. Bei Oberlangenegg überqueren wir die Schallenbergstrasse und kommen in den Anstieg ins Eriz. Wir fahren nicht bis ganz hinten ins Tal, sondern wechseln bei Linde auf die Schattseite und gelangen (immer noch der Veloroute 99 folgend) auf einem kleinen waldigen und kurvigen Strässchen in stetem Auf und Ab via Horrenbach nach Schwendi ob Sigriswil. Jetzt liegt weit unter uns der Thunersee und gegenüber die ganze Pracht der Berner Alpen. Im Hotel Rothorn ist Kaffee-Pause und wir stärken uns für die Abfahrt nach Sigriswil und den anschliessenden Aufstieg zum Justistal und weiter auf den Beatenberg. Emsiges Radlertreiben auch hier. Kein Wunder bei diesem Wetter und dieser Aussicht.

Der Beatenberg hat als Sonnenterasse und Höhenkurort schon bessere Zeiten gesehen. Unten im Dorf sieht es vielenorts aus, als wäre er touristisch zwischen Stuhl und Bank gefallen, irgendwann aus der Mode geraten. Oberhalb des Dorfes, an der Strasse über den Riedboden, sieht nicht das Panorama (es ist hier überall umwerfend!) aber die Welt noch heiler aus. Das suchen wir und wählen unseren Mittagstisch deshalb im Gasthaus Riedboden.

Unser Stundenschnitt war bis zum Mittag mässig. Nicht weiter verwunderlich, denn die Strecke mit den kurvigen Strässchen liess auch auf den Abfahrten kaum je ungebremstes Bolzen zu. Das ändert sich in der Abfahrt gegen Interlaken schlagartig. 7 Kilometer mit ziemlich regelmässigen 8% Gefälle und nur 4 Haarnadelkurven liegen vor uns. Lange brauchen wir dafür nicht… Wir rollen gegen Interlaken hin aus und biegen noch vor der Aare rechts, in Richtung Thun, ab. Wir erreichen den See, kurz darauf steigt die Strasse gut 50 Meter über den See hoch, schlängelt und bohrt sich als Aussichtsterrasse auf dieser Höhe bis zur Beatenbucht dem felsigen Berg entlang. Auch hier emsiges Ausflugstreiben. Allerdings auch von Vier- und Zweiradmutanten, die ihre Bräute und motorisierte DNA ausführen. Das Blut kocht zwei, drei Mal, schön ist es trotzdem und wir erreichen schon bald das untere Ende des Sees. Wir ziehen eine Schleife durch Thun und verlassen die Stadt auf dem Veloweg in Richtung Heimberg. Schade, denken wir dort, dass wir unsere Zvieri-Pause nicht noch in Thun an der Aare, im altweibersommerlichen Treiben eingelegt haben. Wir hatten zu sehr die Abfahrtszeit unseres angepeilten Zugs im Auge. Es hätte gereicht, merken wir jetzt, wo wir viel zügiger unterwegs sind, als am Vormittag. Wir holen die Pause in einer Besenbeiz bei Brenzikofen nach. Weit ist es nun nicht mehr. Knapp 20 Kilometer (der grösste Teil davon fast verkehrsfrei auf der Veloroute 94) fehlen uns noch und so kommen wir rechtzeitig in Signau an. Gut hat es getan, schön war es im Emmental! Schade, dass so viele des Werksteams verhindert waren. Ob wir eines Tages wiederkehren sollen?

Etappendaten: 114km-2400hm

Meo Bici Herbstausfahrt 2018 Emmental, Streckendaten Tag 2

Meo Bici Herbstausfahrt 2018 Emmental, Tag 2 relive