Giro degli Alpi Bergamschi, 17./18. September 2016


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Samstag, 17.09.16: Lugano – San Pellegrino Terme

Es sind nicht viele Fahrer des Meo-Bici-Werksteams, die sich früh am Samstagmorgen am HB Zürich treffen und in den Zug in Richtung Süden steigen. Das Wetter im Norden ist mehr als bescheiden. Am Wetterbericht für den Süden schieden sich die Geister. Diejenigen, die den optimistischeren Versionen glaubten, werden bald belohnt: in Airolo ist es trocken und bis zum Aussteigen in Lugano hat der Nordföhn den Himmel bereits blau geputzt und die Temperaturen geben der Lust auf eine Herbstausfahrt in die Bergamasker Alpen weiter Nahrung. Der Verkehr durch Lugano und weiter in Richtung Grenze, Porlezza und Lago di Como ist weniger schlimm als befürchtet und nach einer Stunde Fahrzeit treffen wir bereits am Fährhafen von Menaggio am Comersee ein. Auf der Personenfähre nach Varenna dürfen wir nicht mit. Wir müssen auf die Autofähre warten. Der Fährfahrplan ist noch hochsaisonal und eine längere Café-Pause später sind auch wir unterwegs ans Ostufer. Von Varenna geht es entlang des Lago di Como zügig weiter in Richtung unteres Ende des Veltlins. Mittagspause ist im Ristorante Domingo in Delebio. Ein Glückstreffer kurz vor dem Beginn des Aufstiegs zum Passo di San Marco. Dieser beginnt knapp 10 Kilometer später in Morbegno – und hört so schnell nicht mehr auf. Auf den nächsten 26 Kilometern geht es fast nur bergauf, 1750 Höhenmeter sind es bis auf die Passhöhe. Die Strasse ist praktisch verkehrsfrei, der Belag dank der Giro-Durchfahrt von 2007 gut im Schuss und die Steigungsprozente bewegen sich im genüsslichen Rahmen. Weniger aber, was sich am Himmel tut. Dort hat sich dunkles Gewölk zusammengeballt und in nicht allzu ferner Distanz rumpelt es bedrohlich. Der Anstieg flacht ein bisschen ab, wir verlassen das Veltliner-Haupttal und dessen untere, waldige Flanke, als es eingangs von Albaredo zu regnen beginnt. Haben die Skeptiker in Zürich nun doch recht behalten? Werden wir nun pitschnass und auf der Abfahrt frieren wie die Hunde? Wir ziehen die Regenklamotten an und setzen den Aufstieg fort. Der Wetterradar kündigte Niederschlagszellen an. Diese kommen und gehen, sagt man. Wir bleiben optimistisch – und werden nicht enttäuscht. Nach einer halben Stunde hat sich der nasse Spuk verzogen und wir können die Schutzhüllen bereits wieder ausziehen. Der Blick zurück gibt die Sicht ins Veltlin frei; wir haben viel an Höhe gewonnen und erreichen erste Alpen mit Vieh auf herbstlichen Weiden. Den Passo di San Marco auf 1985 MüM sehen wir erst, kurz bevor wir ihn erreichen. In den Bergen hat der Herbst Einzug gehalten. Wir sind fast alleine unterwegs. Still ist es hier oben. Auf dem ganzen Aufstieg eine Handvoll Autos, mehr nicht.
Vor der langen Abfahrt noch ein paar Gipfelfotos, die Regenjacken wieder überziehen und ab geht es in die Schussfahrten und Spitzkehren auf der Südseite des San Marco. Knapp 700 Höhenmeter fliegen wir den Pass hinab, die Rampen zum Schluss hin ordentlich steil, dann ein kurzes Flachstück und nach dem kleinen Stausee die nächste ordentliche Rampe. Nach 10 Kilometern bei durchschnittlich 9% Gefälle sind wir nun wieder gemütlicher unterwegs. Wir durchfahren die ersten kleinen Dörfer. Unterhalb von Olmo al Brembo ist Schluss mit der Raserei. Kurz vor Piazza Brembana verlassen wir die Hauptverkehrsachse, die hier von der SP1 zu SS470 wird und biegen ein auf die Ciclovia Val Brembana, die zum Veloweg umgebaute, 1966 stillgelegten Bahnlinie Bergamo – Piazza Brembana. Auf den nächsten knapp 20 Kilometern lassen die Tunnels und Hangtraversen auf dem schmalen, stetig abfallenden und gut asphaltierten Trassee das Bild der vergangen Eisenbahnzeit aufleben. Übernachtung im Hotel Papa in San Pellegrino. Total 130km-2300Hm.
30km-300hm. und 100km-2000hm.

Sonntag, 18.09.16: San Pellegrino Terme – Chiasso

In der Nacht hat es kräftig geregnet, schwer hängt das übriggebliebene Gewölk in den Bergamasker Alpen. Die geplante Rückfahrt zum Comersee via Val Brembilla und Culmine San Pietro präsentiert sich wenig verlockend. Wir passen die Planung an und starten zur Flachetappe in Richtung Bergamo. Bis Zogno benützen wir gerne den untersten Teil der Ciclovia, wechseln dort auf die SP23 und fahren rechts des Fiume Brembo bis wir die letzten Alpenausläufer hinter uns gelassen haben. Wir versuchen, verkehrsarme Strassen zu finden. Es glückt uns nicht immer. Alles, so scheint es, was vier Räder hat, wird am Sonntag samt Mamma und Bimbi auf die Strasse gestellt und im Siedlungsbrei der Poebene herumgekarrt. Schön zumindest, dass das Wetter bei angenehmen Temperaturen trocken bleibt und sich die Sonne mehr und mehr zeigt. Mittagszeit ist in Cantù, wo wir auf Empfehlung die Osteria La Vignetta ansteuern. Die Empfehlung muss gut sein: die Osteria ist brechend voll, leider findet sich kein freier Tisch für uns. Die vom Osteria-Wirt angegebene Alternative, das Ristorante Staut überzeugt uns nur mässig. Möglicherweise entsprechen wir in Bici-Klamotten und mit Klapperschuhwerk nicht der angesprochenen Clientela. Bei nun vollends sonnigem Wetter nehmen wir die letzten gut zwanzig Kilometer in Richtung Chiasso unter die Räder. Como umfahren wir auf der Südwestseite und kommen via San Fermo della Battaglia nach Chiasso. Drei Kilometer vor der Ankunft werden wir von einem Regen- und Graupelschauer zum Glück nur gestreift, denn er trägt eindrückliches Nässepotential mit sich. Im Bahnhof von Chiasso können wir aber festhalten, dass wir, die Optimisten, recht behalten haben: der Ausflug in den Süden hat sich gelohnt. 89km-800Hm.

Verfasser: Urs Christen 2017